Das ist für mich ein Modell der Ethik der Zukunft: Sich seiner Begrenztheit bewußt zu werden und durch die Begrenztheit meiner Fähigkeiten dazu genötigt zu werden, andere anerkennen zu können. Das ist eine sehr bescheidene Ethik, denn sie muß ja auch sagen: Das geht mich nichts an, dafür bin ich nicht kompetent! Ich bin nicht dafür verantwortlich, ob in der äußeren Mongolei Demokratie eingeführt wird oder nicht. Es ist ein verantwortungsloses Geschwätz, wenn ich mich jetzt für die Befreiung von Tibet engagiere. Hingegen bin ich dann verantwortlich, wenn in Südfrankreich, also da, wo ich jetzt lebe, Menschen Fremde prügeln. Ich muß irgendetwas innerhalb meiner Kompetenz tun, um das einzudämmen.*

Das schließt nicht aus, daß wir uns darum kümmern sollten, welche Entscheidungen hier gefällt werden, die Tibet, die Mongolei, Afghanistan, Iran, Irak, usw. betreffen. Wenn von hier beispielsweise Waffen exportiert werden, Soldaten auf zweifelhafte Missionen geschickt werden, Handel getrieben wird mit entfernten Ländern, dann hat das mit uns zu tun. Dann sind wir kompetent diese Entscheidungen zu beeinflussen, da sie hier gefällt werden und wir als Bürger durchaus Mittel haben Politik und Wirtschaft zu beeinflussen. Natürlich kann sich von uns hier nicht jeder um alles kümmern. Jeder hat seine Kompetenzen und kann diese erweitern, um sich dann in einem (oder auch mehreren) Bereichen kompetent zu engagieren. Und sei der Kompetenzbereich auch noch so klein. Der eine kümmert sich um das Wohl seiner Nachbarschaft oder die Handhabung von Energie in seiner Umgebung, der Andere ist Wirtschaftexperte und versucht die Politik zu Gesetzen zu bewegen, die für mehr Gerechtigkeit und weniger Ausbeutung sorgen. Dazwischen und Aussenrum gibt es unendliche rießige und winzige Kompetenzfelder – für jeden das passende !-)

*Aus Nächstenliebe im elektronischen Zeitalter, ein Interview mit Vilém Flussers auf telepolis.de.

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